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Stiftskirche Schönenwerd / Christkatholische Kirche St. Leodegar

Geschichte

Bis weit ins letzte Jahrhundert hinein war Schönenwerd ein Bauerndorf. Hier kreuzte sich der wichtige Verkehrsweg durchs Mittelland mit einem in der Süd-Nord-Richtung. Von der Innerschweiz her führte dieser bei Schönenwerd über die Aarefähre nach Niedergösgen und dann über den Schafmatt-Übergang weiter Richtung Basel. Geschichtliche Bedeutung verlieh dem Dorf das Chorherrenstift, mit dem Schönenwerd bis 1800 eng verbunden war. Durch die Schuhfabrikation der Bally ist es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem grössern Industrieort angewachsen, der zur Zeit 4600 Einwohner zählt.


Auf dem Bühl, der von ehemaligen Chorherrenhäusern und Wirtschaftsgebäuden umsäumt ist, steht die Stiftskirche mit dem Konventgebäude. Die Kirche ist der älteste bestehende Sakralbau des Kantons Solothurn. 778 wird erstmals das „Klösterlein Werith“ erwähnt, das neu aufgebaut worden war. Die Gründung selber muss etwa 100 Jahre vorher geschehen sein. Mitte des 11. Jahrhunderts entstand die jetzige Kirche. Im 13. Jahrhundert wurden die Freiherren von Göskon Kastvögte des Chorherrenstifts, nachdem sie im heutigen Niedergösgen eine Burg erbaut hatten. Mitte des 15. Jahrhunderts mussten die eingeheirateten Falkensteiner das ganze Niederamt an Solothurn verkaufen.


Das Stift zählte meist sechs Chorherren, die keiner bestimmten Regel unterstellt waren und vier Kapläne. Es führte eine Schule, betreute den von weit her besuchten Wallfahrtsort und besorgte auch umliegende Gemeinden. 1874 wurde das Stift aufgehoben. Heute gehört die Kirche der christkatholischen Kirchgemeinde. Die reformierte Kirchgemeinde hat das Mitbenutzungsrecht.


Zur Baugeschichte

Die Stiftskirche St. Leodegar wurde in der Mitte des 11. Jahrhunderts als frühromanische Basilika erbaut. Der ursprüngliche Plan sah nach lombardischem Muster einen Raum mit schmalem Mittelschiff und engen Arkadenbögen vor, wie sie Kirchen am Thunersee zeigen. Deutscher Einfluss brachte mehr Weite durch ein breiteres Mittelschiff und fünf statt sechs Pfeilerpaaren. Den Westabschluss machte ein Emporenbau mit zwei Turmspitzen. Das Resultat war eine geschickte Verschmelzung zweier Stilformen und eine erstaunliche Grosszügigkeit bei aller Bescheidenheit der Mittel.


Im ausgehenden Sempacherkrieg wurde 1388 die Kirche von den Bernern und Solothurnern angezündet. Die verschiedenen Erneuerungen wahrten jedoch den romanischen Bestand. Erst der Abbruch der Doppeltürme und der Bau des Frontturms 1677 setzte einen neuen Akzent. Das Innere zeigt sich heute in einer Rokokoausstattung (2. Hälfte 18. Jahrhundert), nachdem die Restaurierung (abgeschlossen 1979) spätere Zutaten entfernt hat.


Das Äussere

Von aussen zeigt sich die frühromanische Basilika besonders eindrücklich auf der Ostseite: Die drei Chorapsiden (1) mit ihren (1967 zum Teil rekonstruierten) Kegeldächern sind mit Lisenen und Blendbogen geschmückt. Ansätze der ursprünglichen Lisenen finden sich auch an der Nord- und Westseite. Die Sakristei (2) wurde anfangs des 15. Jahrhunderts angebaut.
Bei vierstöckigen Eingangsturm (3) von 1677 kontrastiert das wenig gegliederte Mauerwerk geschickt mit dem barocken Heim. Mit Rücksicht auf die Marienkapelle im romanischen Westabschluss wurde der Turm nur wenig mit der Fassade verzahnt. Der sechsseitige Dachreiter über dem Chor stammt ebenfalls aus der zeit des Turmbaus.


Hinter dem Durchgangsgewölbe des Turms (Gitter von 1980) schliesst die breite, romanische Eingangshalle (4) an. Die (1966 freigelegten) Wandbilder wurden 1628 von Paul Wiederkehr aus Bremgarten gemalt: Maria mit Jesuskind, begleitet von den Stiftspatronen Leodegar und Trophimus und sechs (vor dem Turmbau acht) weitern Heiligen. Zur gleichen Zeit entstand auch das Rundbogenportal im Stil der deutschen Spätrenaissance.


Das Innere

Der Innenraum lässt durch das Rokokokleid (Stukkaturen von 1769) hindurch die romanischen Formen erkennen. Sechs Arkadenpaare verbinden die drei Schiffe. Das Chor ist architektonisch nur durch den stark erhöhten Fussboden ausgezeichnet.
Im südlichen Seitenschiff unter der Orgelempore findet sich ein abgelöstes Stück der Kirchenausmalung von 1568 (5): Jakobus der Jüngere mit der Walkerstange und Bartholomäus mit dem Messer. Je eine Reihe dieser grossen Heiligenfiguren schmückte einst die Oberwände des Mittelschiffes.


Auf der (unteren) Empore (6) aus dem 18. Jahrhundert steht die 1980 von der Firma Th. Kuhn AG, Männedorf, gebaute Orgel. Das Werk mit zwei Manualen und 25 Registern ist ein Geschenk der reformierten Kirchgemeinde. Hinter der Orgel öffnen drei Bogen den Durchblick in die romanische Empore, die Marienkapelle (siehe unten).
Die reichgeschmückte Kanzel (7) stammt von 1642, der Schalldeckel von 1656. Aus der gleichen Zeit (1643) kommt auch das zwanzigplätzige Chorgestühl (8) in einfacher Renaissance-Schnitzerei.


Die Altäre (9) beidseits der Chortreppe haben hohe Altarblätter mit reichen Rokokorahmen vom Solothurner Friedrich Joseph Füeg. Das rechte Bild zeigt die „Geburt Jesu“ von Domenico Corvi nach einem Entwurf von Joseph Esperlin; darüber ein Brustbild des Apostels Petrus. Das linke Bild mit der „Taufe Jesu“ wurde 1774 von Joseph Esperlin gemalt; darüber ein Brustbild von Paulus. Beide Künstler waren an der Solothurner St. Ursenkathedrale tätig.
Der Hochaltar (10) wurde 1759 von Propst Gugger gestiftet und von Friedrich Joseph Füeg ausgeführt. Dabei verwendete er fünf gotische Figuren, die um 1500 in einer oberrheinischen Werkstatt entstanden waren. Es sind dies: Maria mit dem Kind und (von links nach rechts) Johannes der Täufer, Trophimus, Leodegar und Königin Bertha. Zuoberst ist das Bild des hl. Mauritius.


Die Seitenkapellen wurden im 15. Jahrhundert eingewölbt. Die Gitter stammen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts.


In der südlichen Taufkapelle (11) steht ein Altar von 1623 mit einem nazarenischen Bild von Friedrich Stirnimann (1890), im barocken Aufbau die heilige Katharina. Der Taufstein stammt wohl aus dem frühen 19. Jahrhundert. An den Wänden sind Andachtsbilder (auf einem ist die alte St. Ursenkathedrale in Solothurn zu sehen) und die Grabplatte von Marquard von Gösgen (gest. 1343). Ein Gewölbe-Schlussstein trägt das Stiftswappen mit der Lilie (Marienwallfahrtsort) auf den Falkensteiner-Farben.


Die nördliche Seitenkapelle (12) hat einen Altar mit einem hochbarocken Tabernakel (Figuren von Urs, Viktor und Sebastian).Über der eisernen Sakristeitür hängt in einem Renaissance-Rahmen das Bild der Heiligen Familie eines unbekannten Meisters um 1600. Eine Kostbarkeit ist das „Heiliggrab“, gestiftet 1427 von Hans von Falkenstein. Von den Figuren der Grablegung sind nur die schlafenden Grabeswächter erhalten. Daneben steht das Tischgrab der Falkensteiner über der einstigen Grabkammer, geschmückt auch mit dem rot-weissen Wappen der Gösger.


Ausserhalb des Gitters befinden sich die Grabplatte Johannes II., des letzten Freiherrn von Gösgen (gest. 1383).


Ebenfalls an der Nordwand ist jetzt eine Kreuzigungsgruppe (13) aus dem Ende des 15. Jahrhunderts aufgestellt.


Die lange Emporentreppe (14) führt an der Orgelempore vorbei in die Marienkapelle im einstigen romanischen Westabschluss. Der Altar ist wie der Hochaltar 1759 von Propst Gugger gestiftet und von Friedrich Joseph Füeg ausgeführt worden. Zwei Heilige (wahrscheinlich Augustin und Rapertus) stehen beidseits der Wallfahrtsstatue aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Statue stammt wahrscheinlich aus der gleichen Hand wie das Gnadenbild von Einsiedeln. Sie wurde später nach spanischer Manier eingekleidet. In der Marienkapelle hängen zudem fünf Gemälde aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, darunter (rechts vom Altar) ein Votivbild für die Errettung der „Krone“ beim Brand des „Storchens“ von 1758.


Der Kreuzgang

Der Kreuzgang (15) erhielt 1610 seine jetzige Gestalt mit den Tonnengewölben und den barocken Säulen. Der breitere Westflügel ist mit einem Marienleben ausgemalt (restauriert 1961). Die Grabplatten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert stammen ursprünglich aus der Kirche. Im Garten steht eine zeitgenössische Eisenplastik des Zöllners Zachäus von Frater Xaver Ruckstuhl aus dem Kloster Engelberg.


Das Konventgebäude ist in seinen Abmessungen alt, aber mehrfach umgebaut. Im Ostteil des Kreuzganges führt eine Treppe zum einstigen Kapitelsaal, unter dem die gewölbte Kornschütte lag.


Hinter dem Chor steht die wohnturmartige alte Probstei, das älteste Wohnhaus Schönenwerds (1328 erwähnt).

Viktor Jungo

 

 

 

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